Montag, 27. Januar 2014

Wenn im Anfang schon das Ende liegt - Eine etwas andere Berlinexkursion

Meine Faszination für Kaschemmen, Schenken, Spelunken, Ein-Raum-Eckkneipen, und Bierstuben ist allgemein bekannt. Günstige Preise, Ambiente und eine Menschenvielfalt zwischen Nachbarschaftstreff und Trinkertristesse. Toll, dass Tim und Cécile diese Vorliebe teilen. Gemeinsam machten wir uns auf eine mehrstündige Forschungsreise und Bestandsaufnahme.
Eine Hommage an romantische Orte der Trinkkultur der einfacheren Bürgerschaft:

Startpunkt 16.00 Uhr in Schöneberg. Die Regeln sind klar: Ringbahn westwärts und an jeder S-Bahnstation wählen wir die erstbeste Einkehr, die die Merkmale einer Kneipe aufweist. Diese sind der Ausschank von Fassbier, ein Tresen, an welchem Gäste häufig sitzen können; dazu ein Gastraum, in dem sich weitere Sitzgelegenheiten bieten. Zur Einrichtung gehören in der Regel auch Spielgeräte wie Billardtische, Spielautomaten, Flipper oder Dartscheiben.Gute Kneipen tragen zudem den Namen des Wirtes oder beginnt mit den vier Buchstaben "Bier......". - oder heißen Narkosestübchen.

In Berlin gibt es Schätzungen nach 500 solcher Lokale. Am Innsbrucker Platz finden wir gleich ein besonderes Prachtstück: "Willi Mangler". Um es vorwegzunehmen: Unser Geheimtipp!
Der gute Willi hat seiner Tochter eine sehr gemütliche Raucherkneipe vererbt, die diese offenbar unverändert weiterführt. An der Wand hängen Aquarelle, Uhren, Radioempfänger, Geweihe und was man noch so sammeln kann; das kleine Bier kostet 1,10 Euro. Wir lernen: "Bier kalt stellen ist auch kochen!" oder gönnen uns doch eines von den divers belegten Brötchen für 1,40 Euro.


Zum "Friedenauer" sind es nur 150 Meter von der Haltestelle Bundesplatz. Ein Gast macht die Wirtin Martina und den anderen Gast darauf aufmerksam, wie toll es doch sei, dass endlich mal junge Leute in die Kneipe kommen würden. An der Tür wird das nächste Treffen des Sparvereins angekündigt. Wenn diese Rarität tatsächlich noch existiert, dann wäre ein weitere Besuch lohnenswert. Sonst nicht.

Das "Sky" Schild, ein hilfreicher Indikator für Hartz4-Kneipen weist uns zum "Unikum", welches soeben seine Tore geöffnet und der Wirt ist noch damit beschäftigt in dem ganzen Laden Kerzen anzuzünden. 2 Euro für das Bier, Axel F. & Sido aus den Musikboxen, und wir machen uns vom Heidelberger Platz - der wohl schönsten U-Bahnstation  Berlins - zum Hohenzollerdamm. Der Bär steppt mit uns.

Was für eine Enttäuschung... die wasserstoffblonde und sehr braungebrannte Bedienung in der "Charlotte" heißt Lejla. Lejla, die ja eigentlich Charlotte heißen sollte, beweist zumindest viel Humor als sie uns auf die Frage nach ihrer eigentlichen beruflichen Tätigkeit antwortet: "Ich arbeite im Solarium. Sieht man das denn nicht?!" Die Möglichkeit eine Lokalrunde zu schmeißen ist sehr verlockend. Wir sind nämlich die einzigen Gäste. Eine eiserne Regel ist allerdings, dass wir nur ein Bier pro Kneipe trinken, schließlich wollen wir nicht unseren Durst löschen, sondern sind auf Erkundungstour durch Berliner Eckkneipen.

In Halensee wird uns deutlich aufgezeigt, was man alles falsch machen kann.... Wie sich aus dem Namen "W-50" bereits vermuten lässt, finden wir einen völlig sterilen, ungemütlichen, und sich von Orginalität meilenweit entferntes Interieur vor. Charakterlos, wie Salat ohne Dressing. Erfreulich ist aber, dass sich die Expeditionsteam in Halensee um Max, Lucas, Evi und Stephan erweitert hat und die Bestandsaufnahme nicht ungetrübter, aber vieläugiger fortgesetzt werden kann.

Im "Berliner Krug"  wird gerade das Spanferkel abgeräumt. Ob der Wirt uns deswegen das Bier mit einem lauten "Essen fassen" hinstellt, bleibt ungeklärt. Klar ist auf jeden Fall, dass hier ob der Musik, der Fussballtrikots und der Blechschilder wegen unsere Herzen höher schlagen. "Wenns Arscherl brummt, ist's Herzl g'sund!"
In diesem Sinne: Unser Tipp Nr.2!


Das Spree-Eck glänzt durch die offen ausgesprochene Unfreundlichkeit der Wirtin Yvonne. "Kleine Biere? Mach ich nicht! Da zapfe ich mich ja zu Tode!!"  Ein Gast weißt uns bereits den Weg zur nächsten Kneipe in der Beusselstraße: "Bevor ich zurück in den Knast musste, habe ich mir dort immer noch eins reingestellt" und gibt uns noch folgendes auf den Weg: "Durchsaufen! Einfach nur Durchsaufen!".
Wir bringen Yvonne noch die Gläser an den Tresen und rücken die Stühle zurecht. Auch wenn uns das Spree-Eck so schnell nicht mehr sieht, wollen wir nicht das Yvonne...

Mit hohen Erwartungen steigen wir an der Beusselstraße aus und folgen der Wegbeschreibung. Die nächste Stube unserer Wahl trägt den süßen Namen "Zum Gemütlichen Laternchen". Bei Evi-Dora, die in Wirklichkeit aber auch anders heißt, philosophiert Max über den Kotzen-Nutzen Faktor und spielt darauf an, dass die Preisgestaltung von Schankmaßen nicht immer nachvollziehbaren Parametern folgt bzw. es unter Umständen aus rationalen Gründen ein großes Bier sein muss.

Die Kneipe "Zum Magendoktor", aufgenommen am 08.02.2013 in Berlin. Foto: Daniel NaupoldKneipen ist gesund, meint der "Magendoktor" und lockt uns die 50 Meter von der S-Bahn Station Wedding in sein erweitertes Wohnzimmer für jedermann.
Es herrscht ein guter Rauch- und Musikpegel, die meisten Gäste sehen so aus, als hätten sie unsere Tour auch gemacht, aber dabei vergessen, den Magendoktor zu verlassen.
Dem Protokoll zu entnehmen sind folgende Gedächnisstützen:
"Deko = nüchteeern; Bedienung = leicht verbraucht; Gäste = laberfreudig". Kein schlechter Platz für unsere letzte Runde!

Es gibt sie, die schönen Dinge. Das war der Spaziergangs durch neun Berliner Eckkneipen! Um die Ringbahnrunde komplett zu machen, werden wir das nächste mal in Wedding starten. Dann heißt es wieder: Mach ma 'nen Deckel. Und können wir gleich zahlen?
An alle Willis, Charlotten, Yvonnes und Martinas: Danke! Was würden wir ohne euch tun?!

Richard