Montag, 23. November 2015

Kopfsache

Auf das was kommt, möchte der Kopf gerne vorbereitet sein. Vor einer Reise schaut man eine Dokumentation, liest in die Reiseführer rein und holt sich Tipps von Freunden, die schon mal da gewesen sind, ein. Der Kopf bekommt einen ersten Eindruck vom Zielland.

In Mumbai stehe ich wenig später am Schalter. Ich möchte ein Zugticket buchen. Die Dame am Schalter wackelt schon bei meinen ersten Worten mit dem Kopf. Davon unbeeindruckt führe ich fort. „No problem!“, meint die Dame nachdem ich meinen Satz beenden habe.
                      
„Wunderbar!“, denke ich und gebe ihr Jodhpur als Zielort an. Sie wackelt erneut mit dem Kopf. Diesmal energischer. Ich bin verwirrt.  Ich wiederhole den Zielort und vergewissere mich, ob ich hier ein Zugticket kaufen kann. Ihr Kopf wandert wieder von links nach rechts und wieder zurück. Was heißt das jetzt? Ja? Nein? Vielleicht?

Auf meinen fragenden Blick fügt sie schließlich hinzu, dass ich einen Schalter weiter solle und zeigt nach links. Dort sagt man mir, dass der Zug ausgebucht sei und man uns auf die Warteliste schreiben könne, wenn wir zwei Dokumente ausfüllen würden. Wie wahrscheinlich es sei, mit Wartelistenplatz 115 noch ein Ticket für den morgigen Zug zu bekommen, frage ich. Der Beamte wackelt mit dem Kopf und führt dann knapp aus: „Everything is possible!“.

„Prima, das hilft mir weiter“, denke ich und bedanke mich mit Namaste. Das heißt so viel wie „meine Seele grüßt deine Seele“ und wird als alltägliche Begrüßungs- und Verabschiedungsformel verwendet. Dabei wünschte ich mir, dass Sie mein ernstes Anliegen doch noch erkennt. Vergebens.

Die kommunikativen Schwierigkeiten werden nämlich noch verstärkt. In der gesprochenen Kommunikation sticht vor allem der Satz: „No problem!“ hervor. Scheinbar gibt es in Indien keine Probleme, sondern nur Lösungen. Hinzu kommen Zeit und die Gewissheit, dass das Problem sich auch von selber lösen kann.

Wie das Kopfwackeln ist „No Problem!“ eine kommunikative Allzweckwaffe. Es spiegelt die indische Kunst nicht eindeutig zu sein, sich alles offen zu lassen. Denn am Ende klappt es meist doch. Oder auch nicht. In Indien geht alles, es gibt alles, davon zu viel und alles gleichzeitig.

Mir kommt es vor, als dass in Indien (m)ein Problem als solches gar nicht wahrgenommen wird. Das kostet mich zwar manchmal Geduld und stiftet häufig Verwirrung.
Ist der Kopf aber darauf einmal eingestellt (Tipp: Echtzeitstrategie!), findet man einen reizvollen Weg dem wunderbaren Land Indien zu begegnen! Dann ist es pure Entschleunigung, denn was passiert, passiert. No Problem! Einfach mitmachen. Einfach die eigene Ungeduld ablegen. Und dann öffnet sich einem dieses faszinierende Land ganz automatisch.

Problems in Indien? – Kopfwackel, Kopfwackel ­– No Problem!



Richard




Montag, 9. November 2015

Istanbulcim...

Istanbulcim!

auch Du wächst mit der Zeit! Als der Havas durch Tarlabasi in deine Mitte (Taksim) steuert, mache ich mich langsam zum Aussteigen bereit...aber dann stoppt der Bus plötzlich und ich werde aufgefordert, mich zu beeilen. Ich soll hier aussteigen? Wirklich, hier schon? Nee, ihr fahrt doch noch ein Stück? Bis Taksim ist doch ein Stück? Hier? Hier ist doch viel zu gefährlich?

Ich steige als hier aus. Hier beginnt eigentlich Tarlabasi, nicht gerade ein Stadtteil, in den man gerne bzw. überhaupt geht. Ich muss aber feststellen, wo vor ein paar Jahren noch Räuberhölle war, stehen Luxusgebäude. Und als ich um die Ecke biege, erblicke ich eine moderne Straße mit Restaurants, die nicht älter als zwei Jahre sein können, und mit englischen Speisekarten auf Gäste warten. Dann laufe ich zum Taksim Square. Kein Taxi hier? Und die Busstation der Linienbuse auch verschoben?
Wow, ich bin ein wenig geschockt. Mit so viel Wandel hatte ich nicht gerechnet.

Ich treffe meinen AirBnB-Host. Mia verrät mir, dass Sie über AirBnB ein bisschen Geld verdient, um sich die gestiegenen Mieten in Cihangir überhaupt leisten zu können. Man nenne es in der Türkei: Gentrifiçation... Ich hole die Flasche französischen Rotwein aus meinem Rucksack und frage, ob sie einen Schluck "köpek öldüren" möchte. Sie lacht, holt Gläser und meint, dass sich daran nichts geändert hätte, türkischer Wein sei weiterhin primär zum Kochen gemacht.

Nachdem Christina eingetrudelt ist, stürzen wir uns ins Nachtleben. In den Clubs läuft türkischer Pop. Und jedes, wirklich jedes Lied wird lauthals mitgesungen. Ich bin immer ganz stolz, wenn ich Tarkan erkenne. Nach einigen Bier verabschieden Christina und ich uns mit Küsschen von Gästen und Servicepersonal. Noch ein Bier auf meiner Lieblingstreppe. Auf dem Bospurus ziehen Nachts große Tanker Richtung Schwarzes Meer und die asiatische Seite ist hell erleuchtet. Ich habe mich wieder einmal in Dich, Istanbulcim, verliebt...

Christina meinte, dass sie gespannt sei, wie ich in der Türkei agieren werde. Nach kurzer Zeit fällt mir auf, dass mein türkisches Vokabular aus dem Hinterhirn ins Gedächnis rutscht, und dass das, gepaart mit ein paar Gestiken, ausreicht, Christina in ihrer Überzeugung zu bestärken. Da steckt ein bisschen Türkei in mir. Wenig später widerfährt Christina ihre erste Niederlage beim Tavla spielen. Es packt sie der Ehrgeiz. Es folgt Tee, Tee, Revanche, Tee, Revanche, Tee.... und sieh da: Sie fängt türkisch zu fluchen an und hat sich wohl auch von Dir infizieren lassen...

Dann verlassen wir Dich zeitweilig. Mit dem Nachtbus geht es nach Göreme, Kapadokien. Ein bislang weißer Spot auf meiner türkischen Landkarte. Warum? Das weiß was ich selber nicht so genau. Jeder, der da gewesen war, hat schwärmend erzählt. Nicht zu Letzt stammen aus Kapadokya, die Bilder,mit denen die Türkei bei Tourismessen oder im Fernsehen wirbt. Zu Recht!

Die Täler um Göreme (der versteckten Stadt) sind wirklich faszinierend. Vulkanstein, vom Winde geformte Kalkformationen, Höhlen, in denen Wandmalereien auf christliche Kirchen im 12. und 13. Jahrhundert schließen lassen, ja sogar eine ganze Stadt im Untergrund. Das Gebiet um Göreme ist seit 1985 Weltkulturerbe.


Doch das eigentliche Highlight sind die im Sonnenaufgang aufsteigenden Heißluftballone. In Göreme gibt es 350 ausgebildete Ballonfahrer, Sofern es die Windverhältnisse zulassen - und das ist fast jeden Tag der Fall - starten früh morgens ca. 200 Stück. Wir stehen auf dem Viewing Point und sehen, wie bei den Kaminfeen und in den Täler sich die Seidenhüllen der Ballone in pralle Leuchtkugeln verwandeln. Noch ist es dunkel, doch die ersten Ballone steigen schon auf. Ab und an glüht ein Ballon auf. Und als die Sonne dann durchbricht, sind alle Ballone in der Luft. Ein Meer von bunten Kugeln am Himmel über einer märchenhaften Vulkanlandschaft. Es ist still. Es ist einfach wunderbar... 


Nach dem wir uns einen Tag mit einem Bus und eine Guide haben rumfahren lassen, liegt mir viel daran, am nächsten Tag auf eigene Faust loszuziehen. Durch die Täler wandern wir in einen benachbarten Ort, dessen Mitte eine Festung prägt, von der früher Brieftauben in die versteckte Stadt geschickt wurden, um die Bevölkerung vor Eindringlingen zu warnen. Und weil das Essen, das dort für uns vom Einkauf bis zum Abdecken exklusiv für uns präpariert wurde, möchte ich dem Restaurant zurufen; Eline saglik! Gesundheit für eure Hände [auf das Sie allen, die diesem Tipp folgen, eine genussvolle Mahlzeit bereiten werden]!

In Istanbul erkennt die Mutter von Tunc das Taxi, das verzweifelt die angegebene Adresse sucht. Jetzt fehlt nur noch der Simitci (Simitverkäufer) und das türkische Frühstück ist in kürzester Zeit angerichtet. Ah, da ist er ja….
Schließlich liest uns die Oma von Tunc die Zukunft aus dem Kaffeesatz. Ich werde reich und werde eine glückliche Ehe führen, in 3 Wochen, 3 Monaten oder 3 Jahren. So genau ist die Prognosefähigkeit des Kaffeesatzes leider nicht.

Dass wir später Imbrahim, den Fischer treffen werden und  über den Nachmittag hinweg es immer wieder an der Angel zappelt, hat sie so nicht vorhergesehen. Und trotzdem möchte Sie uns den Fisch rakigerecht zubereiten, denn das gehört halt einfach so. Und dann haben wir gegessen, getrunken, gelacht, getanzt und Dinge erzählt, die den Tisch nicht verlassen. Kurz: Wir haben Raki gemacht. Und am nächsten Tag mit Deniz auf Campingstühlen am Meer gefrühstückt. 


Istanbulcim! Diese Selbstverständlichkeit mit der du einen aufnimmst und die allseits entgegengebrachte Gastfreundschaft faszinieren mich immer wieder aufs Neue...Wir zwei nochmal für länger vereint?! Ich könnte mir das durchaus vorstellen. Du beeindruckst mich immer wieder aufs Neue. 

Dienstag, 7. Juli 2015

Bis Dann-zig!

Das Ergebnis vorweg: Es ist sehr sehr Neiß hinter der Oder!

Der zweite Roadtrip durch Polen; über Stettin an der Ostsee entlang nach Danzig. Und weil Shila sich im Vorfeld die Grundregeln des Gesellschaftsspiels Skat aneignen konnte, Joachim im desolaten Gesundheitszustand trotzdem mitfährt, Tim im Vorfeld wieder einmal großartige Herbergen gefunden hatte und mit Reiseliteratur, Snacks und guter Musik das Mietauto schnell zum fünften Reisegenossen wird, kann es ab Abfahrt eigentlich nicht besser werden...
Dies soll sich bei Ankunft in Szczecin (Stettin) schlagartig ändern: "Bier, ich brauche jetzt unbedingt Bier!" Um Shila diesen Wunsch erfüllen zu können, braucht es aber erstmal eine Bank. Und als die ersten Zloty schließlich den Automaten verlassen, haben wir bereits die Fregatten im Hafen und die Hakenterasse passiert. Weil nach dem Krieg die baulichen Lücken des alten Stadtbilds eilig mit funktionalen Bauten gefüllt wurden, sucht man in Stettin vergeblich nach einem historischen Zentrum. Egal, wir machen die Künstlerkneipe Kanar zum Zentrum unserer ersten Skatrunde.

"Blitzkrieg", "keine Grenze", "Panzerfaust" und "Pergamonmuseum"...der Wortschatz des Taxifahrers, der uns in die Fress- und Ausgehmeile fährt, ist abwechslungsreich. Ich revanchiere mich und wünsche ihm auf Polnisch "einen leckeren Blumenkohl". Dann bezahle ich. Die Skatrunde findet an diesem Abend noch mehrere Verlierer, wir die Schwester von Luis Suarez und der letzte Taxifahrer schließlich unsere Herberge.

Tag 2 beginnt mit einem frühen Mittagessen in einem polnischen Restaurant am Straßenrand. Man(n) stärkt sich für die Weiterfahrt. Frau hingegen entwickelt im Stillen die Spielregeln für SSDS (Shila-sucht-den-Superstorch). Die männlichen Reisegenossen haben es in dieser Hinsicht einfacher: Da die Diskrepanz zwischen der Schönheit Männer und der der Frauen sehr ausgeprägt ist, wird - in Anlehnung an Pep Guardiola - fortan nur noch unterschieden in: Eine super Frau, eine super-super Frau, eine super-super-super Frau, ich möchte tausend dieser Frauen haben. [Und sie auf die Ersatzbank setzen].

Angekommen in Kolberg (Kolobrzeg) sehen wir vor lauter Bäumen den Strand nicht. Auf der Fußgängerpromenade flanieren wir Richtung Wasser und die jodhaltige Seeluft entfaltet ihre Wirkung: Auch bei Shila kehrt der Appetit wieder. Auf dem weißen, feinkörnige Sand reihen sich Strandmuscheln, Windfänger und Strandkörbe dicht an dicht aneinander. Das Rauschen des Meeres und die Klänge der Freiluftmusiker sowie der Beat von Radio Fama bringt uns dann in ein kleines Fischerdörfchen, mit dem Namen Lazy. Wir können nicht anders. Weiterfahrt unmöglich. Daher aussteigen und kurz an den Strand. Lazy ist wortwörtlich eine Sackgasse und so raffen wir uns auf, um weiter nach Rügenwald (Darlowo) zu fahren, wo die berühmte Teewurst ihren Siegeszug gen Deutschland startete. Ein wunderschönes Örtchen.


Wer Polen kennen lernen möchte, muss weiter fahren als zum Polen-Bazar hinter der Grenze von Frankfurt Oder. Und wir erreichen am Abend Danzig.

5 Minuten im Badezimmer reichen Shila locker aus, um die erste Nacht in Angriff nehmen zu können. Wir treffen Magda am Neptunbrunnen und sie führt durch die historischen Ecken der Hansestadt, der es erlaubt sein sollte, als erste Stadt mit doppelter Staatsbürgerschaft werben zu dürfen. Die Fassaden der prächtigen Kaufmannshäuser sind beeindruckend. Selbiges gilt für die weiblich dominierte Kundschaft in den Cafés und Kneipen, die sich für das Wochenende in Schale geworfen haben. „Jungs, bekommt mal eure Blicke in den Griff“ zischt Shila und lenkt unsere Augen  auf die größte Kirche der Welt* (*in der Kategorie: Backsteinkirchen, erbaut zwischen dem 13.-15. Jahrhundert, katholisch). Magda stattet uns noch mit Ausgehtipps aus und lädt uns zum gemeinsamen Fußball schauen (Polen – Georgien) in einem modernen asiatischen Restaurant ein. Dann muss sie nach Hause.


Wir wechseln schnell das Restaurant und tauschen trash-touristisch in polnisch-rustikal. Bei Bier und Skat schmieden wir Pläne für den nächsten Tag: Ausschlafen, Frühstücken (Mittagessen), Kirchturm besteigen, Günther Grass-Ausstellung, am Wasser Eis essen, durch die Stadt schlendern, das Europäische Zentrum der Solidarność besuchen, Magda zum Fußball treffen. Klingt nach einem perfekten Programm für morgen, doch der Abend ist ja längst nicht zu Ende.
Wir fragen uns zum Café Absinthe durch, offenbar die heißeste Aktie im Danziger Nachtleben. Der DJ hat gewisse Ähnlichkeit mit MC Fitti und beschallt den relativen kleinen Raum, der hoffnungslos überfüllt ist. Bis zum Sonnenaufgang tanzt man daher auch auf den Tischen.

Der erste Punkt „Ausschlafen“ stellt sich als relativ leicht machbar heraus, dauert nur etwas länger als angepeilt. Wir müssen das Programm anpassen. Schnell sind wir uns einig: „Wir sind in Polen, wir müssen unbedingt das asiatische Restaurant verhindern!“ und frühstücken Knedel, Frittky, Ryba, und Kapusta, um anschließend die 400 Stufen des Kirchturms zu erklimmen.

Schmuckkästchen Danzig. Nach dem Zweiten Weltkrieg total zerstört, dann wieder aufgebaut und rekonstruiert und spätestens seit dem Beitritt zur Europäischen Union strahlen die Fassaden goldverziert in allen möglichen Farben. Von oben erkennen wir die Giebelhäuserzeilen, in deren Gassen sich nachts betrunkene Burschen wortlos schlägern und tagsüber Schmuck und Bernstein angeboten wird.



Wir verlassen das touristische Stadtzentrum und gehen ein paar Minuten in Richtung der rostigen Kräne der ehemaligen Lenin-Werft. Hier entflammte im Sommer 1980 die regimekritische Streik-Bewegung Solidarność. In dem interaktiven und vollnavigierten Museum führt uns der Audioguide durch die Geschichte der Solidarność-Bewegung und stellt dar, wie ihr Anführer Lech Wałęsa (nicht Walesa) und seinen Werftkollegen den polnischen und schließlich den europäischen Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit geprägt hat. 

Beim wortwörtlichen 3-Gänge Menü ist vor dem Gang nach dem Gang. Polens Sieg über Georgien feiern wir bei der Vorspeise in einem kleinen Diner. Danach gehen wir zur Hauptspeise in einen Laden, der in Deutschland unter dem Namen „Tolle-Knolle“ auftauchen würde. Dort treffen wir auch Magda wieder, die uns Nachtisch mitbringt und darauf besteht, dass wir das nächste Mal länger in Danzig weilen! Sie würde lieber mit uns feiern gehen, als am Schreibtisch Examen ihrer Schüler zu korrigieren.

Hingegen hat sich ein möglicher Schüler von ihr wohl etwas zu sehr über das Fußballspiel gefreut und hält ein Nickerchen auf unserem Tisch. Wir versprechen seinem Freund, dass wir uns, solange wir da sind, um ihn kümmern werden. Das tun wir auch bis sein Magen entscheidet: Vollräumung - alles muss raus. Er wird in aller Seelenruhe vor die Tür gesetzt. Als wir die Kneipe verlassen, rutscht er gerade vom Stuhl. Er hat Glück: Meine Hand findet reaktionsschnell den Weg zwischen Kopf und Bordsteinkante.  Mit der „lebensrettende Tat“ imponieren wir im Café Absinthe; dem Geretteten wird der Schädel nach dem Aufwachen so oder so höllisch wehtun.

Kopfschmerzen bereitet uns am nächsten Tag auch ein Radrennen, das uns in die wohnlichen Viertel von Danzig zwingt, ehe wir die Autobahn erreichen. Dann ist aber Bleifuß angesagt; der Asphalt brennt (Das Asphaltthermometer zeigt bis zu 60 Grad?!). Am Ende wird Joachim rechtzeitig zum Manu Chao Konzert zurück sein und ich* resümieren:
Polen ist ein super super super Land!
[*Und in diesem Falle gilt ausnahmsweise: wenn ich mich meine, spreche ich von uns…]. Die nächste Polenreise ist auf jeden Fall wieder angestrebt: Über Krakau, nach Warschau bis Danzig! Und mit mehr Zeit!

Bis Dann-zig, Richard




Samstag, 27. Juni 2015

Gedanken aus Paris

"und dann isst man Käse, 
um den Wein zu leeren, 
 bevor man nochmal Wein bestellt,
um den Käse zu verzehren" 



Mittwoch, 29. April 2015

Je mehr Straße, desto weniger Straße...


Je mehr Straße, desto mehr parkende Autos.
Je mehr parkende Autos, desto weniger Straße.
Ergo: Je mehr Straße, desto weniger Straße....

Mein erster InnoZ-Kommentar, der aufzeigt, wie das Thema grundsätzlich zu behandeln ist:

Neugierig? Dann lest hier weiter:

"Kluger Mobilitätspolitik für mehr Lebensqualität in Städten" 

Viel Spaß!

Richard


Freitag, 3. April 2015

Halbmarathon in Freiburg oder über das Geschäft mit der laufenden Masse

Natürlich kann jeder, der mit dem Laufen anfangen möchte, einfach seine Schuhe schnüren und sofort loslaufen. Läuft man dann etwas regelmäßiger, wird einem weisgemacht, dass der einfache Sport eine unglaubliche Komplexität aufweist. Laufschuh ist nicht gleich Laufschuh, die Pulsuhr misst am besten nicht nur den Puls und Orangensaft trinken ist offenbar gesünder als Orangen essen. 
Ganz verwirrend wird es dann spätestens bei der Anmeldung zu einem größeren Laufevent:

Kann ich auch ohne Universalfunktionsshirt antreten?
Brauche ich eine Marathonrücktrittsversicherung?
Und was mache ich eigentlich, wenn ich bis dato nicht in der aktuellen Läuferkollektion trainiert habe?

Für mich mittlerweile kein Problem. Ich kenne den Zirkus um das Event bereits. Schließlich darf ich mich stolz zu den Finishern des 35. VATENFALL Berlin Halbmarathons zählen. Highlight dort war sicher das isotonische, vitaminhaltige und kalorienreduzierte Sportlergetränk nach Zieleinlauf in der ERDINGER Alkoholfrei PowerZone. Und natürlich die 3.500qm große Sportlermesse, die ich am Vortag besuchen durfte, um in der hintersten Ecke meine werbeverzierte Startnummer in Empfang zu nehmen.

Leider macht die Kommerzialisierung des Laufsports auch vor dem Freiburger Halbmarathon nicht halt. Und so stellt Eike zu recht fest, dass wir zum Glück bereits jung, dynamisch und gutaussehend sind, so dass wir uns diese Attribute mit der Teilnahme am Freiburger Halbmarathon nicht auch noch erwerben müssen, oder?

Nach dem Best-Zeiten Frühstück.
Meine Argumente, dass die Hauptsponsoren des Laufs ROTHAUS und BÄCKEREI HEITZMANN im Gegensatz zu anderen Läufen noch eher idylischen Charakter aufweisen, halten gerade einmal bis zur personalisierten Einladung zur BÜRGER-Maultschenläuferparty und beseitigen die Zweifel, zum Vorzugspreis - da Frühbucherrabatt - Teil eines Lifestyle-Produktes geworden zu sein, nicht vollständig.

Dass es sich bei Laufsportveranstaltungen der kontinuierlich auf Wachstumskurs befindlichen Eventagentur run abouts GmbH um ein sogenanntes 'Local Hero' Event handelt und damit keine Sieger-, geschweige denn Antritts-Prämien gezahlt werden, macht sich bei der Startgebühr kaum bemerkbar. Wie bei den meisten Laufveranstaltungen heißt es auch hier: Massenevent = Massengeschäft. Und die eigentlichen Unkosten  (Polizeieinsatz, Reinigung ...) liegen in der Regel nicht beim Veranstalter selbst. Und dann ist noch nicht einmal Hornhautcreme und Perwollwaschmittel im Starterbeutel...

Teilnehmer des Teams Sonne e.V.
Kommen wir zum Lauf selbst: 
Pünktlich um 11.10 Uhr fällt der Startschuss. Im Gegensatz zum Berliner Halbmarathon habe ich diesmal nicht 40.000 Leute vor mir, sondern 10.000 Leute hinter mir! Das Tempo ist hoch. Mein Blasendruck nach den ganzen isotonischen Getränken auch. Schon bei Kilometer 6 muss ich eine ungewollte Pinkelpause einlegen. Spätestens bei Kilometer 10 merke ich, dass ich schneller laufe, als ich eigentlich kann und reflektiere meine Vorbereitung: Missachtung jeglicher Trainingspläne, Vorbereitung ohne Pulsuhr und Nichtbeachtung der empfohlenen Ernährungstipss... Aber dazu ist es jetzt auch zu spät und so laufe ich einfach weiter...

Wind und Regen heben meine Laune genauso wenig, wie die falsch eingestellte Runnerapp, die alle 200 Meter meine Playlist unterbricht und mich wissen lässt, wie weit es noch ist. Also runter mit den Kopfhörern und schnell den Energy-Marshmallow rein, den ich vor dem Start bei einem Aussteller abgestaubt habe. Meinen Würgereiz besänftige ich nur bedingt, indem ich mir die nächsten Kilometer konstant einrede: "Der Weg ist das Ziel, der Weg ist das Ziel...".  Aber es läuft nicht gut. Ich finde mein Tempo nicht. Und die Musik und die Stimmung am Straßenrand kann ich auch nicht genießen.

Kurz vor Ende halte ich nochmal bei einer Versorgungsstation. Allerdings gibt es dort ausschließlich das isotonische, vitaminhaltige und kalorienreduzierte Sportlergetränk, das ich eigentlich erst nach Zieleinlauf erwartet hätte. Ich schleudere der nett lächelnden Frau mit der ausgestreckten Hand ein empörtes "Ihr habt sie wohl nicht mehr alle!" entgegen. Im Nachhinein tut mir das ein bisschen Leid. Sie kann ja nicht dafür, dass ich diesmal wenig Spaß habe. Ich fühle nur Kampf und Qual. Den Ärger darüber münze ich zu mindest in Restenergie um, die mich schließlich die letzten Meter antreibt.

Und dann kommt die Zielgerade. Die Bruttozeit über dem Einlauf ist in Sichtweite. Mir wird klar, dass ich deutlich unter der von mir erhofften Ankunftszeit liege! Ich setze zum Schlußsprint an, klatsche mit einem Mädel ab, das mich die letzten Kilometer mitgezogen hat. Medaille hier, Photo da und nochmal zwei Bananen und etwas Hefezopf. Obwohl schon jetzt alles weh tut und ich kaum den Laufchip vom Turnschuh gefrimmelt bekomme, steigt Zufriedenheit und Freude auf. So unpassend das im Läuferzirkus klingen mag: Bei mir zählt diesmal nicht das Erlebnis, sondern nur die eigene Leistung. Aber schon beim Zombiewalk zu den Duschkabinen denke ich mir:

Und das nächste Mal nochmal 5 Minuten schneller?
Oder suche ich dieses Jahr das Marathonerlebnis in Köln?
Dann mit Rücktrittsversicherung oder ohne? 
Oder mit richtigem Trainingsplan und Power-Carbo-Loading Party am Vorabend?

Nun, das werden wir sehen, wenn es wieder heißt: Auf die Plätze, fertig, konsumieren.

Läuft halt, 
Richard

Erfolgreiche "Finisher!"

Sonntag, 22. Februar 2015

Über dreiblättrige Kleeblätter und glückliche Tage in Dublin


Von der immergrünen Insel ist nichts zu sehen. Wolken und Nebelschwaden umhüllen den Flughafen. Während ich auf Christina und die Aer Lingus aus Kopenhagen warte, wundere ich mich, das den Schriftzug der Fluggesellschaft ein dreiblättriges Kleeblatt schmückt. Warum hat man nicht das vierblättrige Kleeblatt als Nationalsymbol gewählt?

Und da in Dublin nahezu alle großen IT-Unternehmen ihren europäischen Hauptsitz haben, so sage ich erstmal Google hallo:

Seinen Ursprung als Identifikationssymbol nahm das Kleeblatt mit dem Nationalheiligen St.Patrick.
Der nämlich hatte die Neigung der Einheimischen zu bildhaften Erklärungen korrekt eingeschätzt und sich flugs ein Kleeblatt geschnappt, um die Komplexitäten der heiligen Dreieinigkeit zu visualisieren. Das vierblättrige Kleeblatt gilt auch in Irland als Glückssymbol. 

Die erstem Bilder aus der Innenstadt sind weniger komplex und erklärungsbedürftig. Der erste Mann kann sich kaum artikulieren und spuckt mir fast aufs Hemd. Der zweite rennt volle Lotte gegen eine Straßenlaterne. Schließlich finden wir die süße AirBnB-Unterkunft von Hanan und Fergal. Glücksfall, die Erste.


                                                         




In einem Hipstercafé stärken wir uns für die Sightseeing-Tour durch Dublin. Ein Highlight war sicher das Books of the Kells aus dem 8. Jahrhundert und die wunderschöne alte Bibliothek des Trinity College. Alte Bücherregale mit Holzleitern schmücken den langen Gang, der links und recht mit Büsten großer Denker flankiert ist. Und obligatorisch ist natürlich auch der Besuch des Guiness Storehouses. Auf 5 [!] Etagen wird man einer Werbemaschinerie ausgesetzt und erfährt dass, Guiness mehr ist als die Summe seiner Zutaten. Nach einem kleinen Tasting sind wir dann befähigt im obersten Stock die feinen Hopfendolden, die geröstete irische Gerste, die einzigartige Hefe und das kristallklare Wasser selbst auseinander zuhalten. Dass das dunkle Bier ursprünglich ein Zufallsprodukt war, ist im Nachhinein als echter Glücksfall der Iren zu betrachten.  



Mit dem ersten Guiness in der Hand beginnen wir die Pint-Line. Then we tuk the bus to the pub, where we jus continued' o have su much fuun. Wir treffen ein irisches Päarchen, die im Frühjahr heiraten wollen. Gut ist: Sie sind fündig geworden und finden an diesem Abend eine Band, die die Hochzeitgäste unterhalten wird. Nicht so gut ist: Übermäßiger Alkoholkonsum führt dazu, dass der Bräutigam frühzeitig die Bar verlässt und sich zu Hause bereits ins Bett gelegt hat, während die Frau mit Hilfe der Türsteher die veriegelte Klotüre aufbricht, hinter der sie ihn vermutet hatte. Als sich sein Verschwinden schließlich auflöst, tun es ihre Rachepläne auch. Sie schluchzt nur noch: I still love him, I still love him...Glück gehabt.

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus ins Fischerdörfchen Howth. Vom Gipfel laufen wir bergabwärts an den Steilklippen entlang und erreichen den Leuchtturm der Hafeneinfahrt. Im Schlepptau haben wir einen Vater mit seiner Tochter aus Dänemark, mit denen wir schließlich den weiteren Abend verbringen und uns auch die in die touristischen Pubs in der Temple Bar wagen. Hier schmücken sowohl drei- als auch vierblättrige Kleeblätter die rosigen Backen der Gäste, aber letztlich spielt das auch keine Rolle, wenn die irische Folkmusik jung und alt zum Tanzen bringt.  

Dublin, eine unglaublich einladende und freundliche Stadt, in der sich jeder Busfahrer als stolzer Botschafter fühlt und selbst im hop on hop off Bus seine Mitbürger und das Geschehen auf der Straße in einem spöttischen, aber herzlichen Ton kommentiert. Und in der letzte Stunde lacht sich doch noch die Sonne durch die Wolken. Ein letzter Cappuccino und dann sind drei Tage Dublin schon wieder Vergangenheit; und ich eines Besseren belehrt: Kleeblatt bleibt Kleeblatt.

Liebe Grüße,
Richard