Freitag, 16. März 2012

Halla' and Swalla'

Am Montag habe ich den Mietwagen abgegeben. Bei der Abnahme fragt mich die junge Dame, wo ich denn gewesen sei und wie ich es geschafft hätte innerhalb von 8 Tagen dem Tachometer 2200 Meilen  hinzuzufügen. Kann unaufgeregt erzähle ich, dass wir in South Carolina, in Georgia, in Alabama, in Louisiana, in Mississippi, Arkansas und Tennessee waren. 7 Staaten in 8 Tagen? Sie schuettelt den Kopf und teilt mir dann eine Minute später mit, dass ich mittlerweile zum Prämienkunde aufgestiegen bin und bietet mir die silberne Kundenkarte an. Ich lehne dankend ab. Ich stehe nicht auf Kundenbindungsprogramme und wahrscheinlich war dies das letzte Mal, dass ich ein Auto gemietet habe. Springbreak war die ganze Zeit so weit weg, und nun liegen die Ferien bereits hinter mir!
 Auf den Spuren von Martin Luther King quer durch Alabama und durch die Heimatstädte von (Hot-) Jazz, Blues, Rock n Roll und Country Musik! Es folgt ein etwas ausführlicher Bericht.

Erleichtert, dass alle universitären Aufgaben vor den Ferien vom Schreibtisch sind und völlig übermüdet machen Carlyne, Christina und ich uns auf den Weg nach Athens, um dort Torrey abzuholen. Ich verstehe anfangs nicht, warum Torrey unbedingt eine Nacht in Athens verbringen möchte, so gleichen sich Chapel Hill und Athens sehr; beides sind kleine College Towns. Möchte er das Sprichwort mit den Eulen wörtlich nehmen? Er wartet mit kühlem Bier in einem günstigen Motel auf uns und überzeugt uns den Freitag Abend in Kneipen und Bars zu verbringen. Und in der Tat, Athens ist wie Chapel Hill, nur noch eine Spur cooler. Die Studenten sind super stylisch, aufgeschlossen und offen. Richtig gute Livemusik und wir stoßen mit PBR auf unseren gemeinsamen Springbreak Roadtrip an.

Am nächsten Morgen geht es nach Atlanta. Durch Spaghettijunctions und über 6-spurige Highways erreichen wir den Olympiapark. Wir lassen das Coca-Cola Museum links liegen. Olympia 1996 hat zu einem ansehnlichen Downtown geführt und die Gentrifizierung lässt sich auch in Midtown erkennen. Und doch spürt man, dass man bereits im Süden Amerikas angekommen ist. Große Jeeps mit Santorum-Stickern, reihenweise Frisörsalons für die mehrheitlich dunkelhäutige Bevölkerung und viele Lobpreisungen auf den berühmtesten Sohn der Stadt Martin Luther King Jr.. Unweit, in Sweet Auburn, besichtigen wir dann sein Geburtshaus und die Baptistenkirche, in der sein Vater gepredigt hat und die seinen Weg stark geprägt hat. "We shall overcome", ein kraftvoller Satz, der nicht an Wichtigkeit verloren hat.


In der Nacht geht es weiter nach Birmingham. Eine tote Stadt, zumindest an einem Sonntag morgen. Es sei denn, man wagt einen Blick in die Kirchen. Und so erlebe ich einen typischen Gottesdients in der Sixteenth Street Baptist Church. Von dort wurden die Protestmärsche zum Rathaus organisiert. Trotz Wasserwerfern und Kampfhunden blieb sich das Civil Right Movement dem Grundsatz des gewaltfreien Protests treu. Ein beklemmendes und gleichzeitig anerkennendes Gefühl durch fährt mich als wir die Marschroute nachlaufen.
Wir googeln schließlich Soulfood. Das GPS führt uns in einen Vorort von Birmingham. Eine heruntergekommene Mall aus den 60er Jahren, ein verlassener Parkplatz und in der letzten Ecke: Heaven's Kitchen. Was zunächst nicht wirklich einladen aussieht, entpuppt sich als ein wahrer Geheimtipp. Soulfood vom feinsten und die besten Hushpuppys ever! Wir verbringen dort zwei Stunden, essen, chatten mit der ganzen Familie, spielen mit den Kindern, essen noch mehr und lassen uns den Rest einpacken.



Auf Seitenstraßen durchqueren wir schließlich Alabama. Vorbei an vielen Kirchen (!), großen Fischteichen, hier ein kurzer Plausch mit dem Sheriff, der seinen silbernen Stern stolz in die Sonne hält, dort ein weiteres Fastfoodrestaurant von der Liste gestrichen, und alsbald erreichen wir Mobile. Am nächsten Tag geht es entlang der Golfküste Richtung New Orleans.


In New Orleans gönnen wir uns zum ersten Mal ein richtiges Hotel. Stolz, wie Oskar, verlassen wir das Hotel mit einem Bier in der Hand. Ja, hier darf tatsächlich in der Öffentlichkeit getrunken werden. Obwohl man sich diese Stadt wahrlich nicht schön trinken muss. Ich dachte, dass San Francisco nicht zu toppen sei, aber New Orleans.... Was für eine tolle Stadt, enge autofreie Gassen, überall Straßenmusiker, wunderschöne Häuser. Es wird eine lange Nacht...
Ich habe am nächsten Tag etwas zu kämpfen und überschätze meine Nahrungsaufnahmefähigkeiten völlig als ich als erste Speise des Tages einen Shrimpssalat und ein Tablett voller Austern bestelle. 
Da der Garden District und das Französische Viertel etwas höher als der Rest der Stadt liegen, kann man New Orleans besichtigen ohne die Verwüstung durch Katharina zu bemerken. Als wir die Stadt verlassen, machen wir jedoch ein paar Umwege und sehen einige Stadtteile, die noch immer verwüstet sind und in denen die Armut (und auch Kriminalität) greifbar ist. 

 











America's most European City: NOLA!



Mit Jonny Cash in den Boxen erreichen wir schließlich Jackson. There is nothing to see in Jackson and we did not mess around. Voller Erwartung machen wir uns am nächsten Tag auf die Etappe: Mississippi Delta - Memphis. Mein völlig romantisiertes Bild des Mississippi Ufers mit süßen kleinen, bunten Häusern entspringt wahrscheinlich den Geschichten von Huckleberry Fin und Tom Sawyer. Allerdings deckt sich mein Bild nicht mit dem der Realität. Mississippi ist einer der ärmsten Staaten in Amerika und Schilder, die auf den nächsten McDonalds in 40 Meilen hinweisen, lassen darauf schließen, dass selbst für Fastfoodketten hier kein Geschäft zu machen ist. Ich werden in den nächsten Tagen dem Gouverneur schreiben und ihn fragen, warum die Straße als "Scenic Route" gekennzeichnet ist. Wir kommen in Clarksdale an, der Stadt des Blues. Ein Unwetter zieht auf und mit dem Wolkenbruch öffnen wir die Tür des Bluesmuseums. Da es nicht aufhört zu regnen, werden wir in einen Musikraum geführt und jammen dort zusammen mit den Bewohnern von Clarksdale. Robert Johnson scheint wohl nicht der einzige zu sein, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat und seine Seele gegen die Kunst des Gitarrenspielens eingetauscht hat. Es mag zwar blöd klingen, aber die Eindrücke von diesem Roadtrip haben mir einen anderen Zugang zu Musik verschaffen. Blues und Mississippi passen auf einmal  perfekt zusammen und bedingen sich gegenseitig.

Taxi! Scharia! Und zum ersten Mal begeben sich Torrey, Carlyne und Christina auf die Pilgerfahrt nach Memphis. Ich verbringe Stunden in einem weiteren MLK-Museum, dass in dem Motel eingerichtet wurde, in dem er am 4. April 1968 niedergeschossen wurde. Anschließend fahren wir nach Graceland und wohnen dem Elvis Presley Kult bei. Sein Produzent und der Besitzer von Sun Records war von Elvis so begeistert, weil dieser wie ein Schwarzer singen konnte, aber besser zu vermarkten war. Kaum zu begreifen, dass MLK und Elvis zur gleichen Zeit gelebt haben und gleichzeitig ist es nicht schwierig nachzuvollziehen.



















Ja, und so verfliegen 8 Tage wie im Flug. Noch eine Partynacht in Memphis. Beindruckende Karaokeperformanz von Torrey, der unsern Roadtripsong: "I just called to say I love you" von Stevie Wonder zum Besten gibt und dann geht es auf der  Interstate 40 in 730 Meilen zurück nach North Carolina. Naja, ein kurzer Zwischenstopp in Nashville, DER Stadt für Country Music, darf natürlich nicht fehlen. Auf den ersten Blick wirkt alles ein wenig trashig in Nashville, auf den zweiten Blick fühlt man sich wie im Wilden Westen und hört nur noch das Geklapper von tausenden Cowboystiefeln. Und schließlich wird man auf die Bühne gebeten, weil es ja so putzig ist, dass sich ein Deutscher mit Cowboyhut nach Nashville verlaufen hat. Nun: Ein dreimal kräftiges: "Holla' & Swalla'!" Und dann schnell wie weg hier bevor die Horde älterer Damen die ohne Anhang für ein Wochenende mit 8 (!) Busen (die armen Busfahrer) nach Nashville gebracht wurden noch auf falsche Gedanken kommen. Great Fun! Toller Roadtrip!

Nun bleiben noch genau 8 Wochen. Ich freue mich unglaublich auf die Heimat! Bis dahin wir
allerdings noch alles mitgenommen. Seit gestern ist March Madness im vollen Gange und Basketball wird die nächsten Wochen bestimmen. Obama tippt auf den Sieg der Tar Heels! Dazu sommerhafter Frühling und eventuell ein Besuch bei Barby und Ken in Texas.

Das Leben ist schön,
Richard