Freitag, 26. September 2014

Als ob es kein Morgen gäbe...

"It's closed!". 
"It`s already full!"
"It's not open yet!"

Diese Sätze gehören in das Repertoire jedes Tuk-Tuk-Drivers. Ist ja auch verständlich: Wenn man als Anbieter an Produkt B mehr verdient, der Kunde aber Produkt A wünscht, dann kann man ihm erzählen, dass Produkt A nicht verfügbar ist, Produkt B aber einen ähnlichen Zweck zu erfüllen verspricht. Blöd nur, wenn man dann feststellen muss, dass die Saphire aus Plastik sind oder der sympathische Herr mit dem Geld verschwindet, dass er für die anfänglichen Transaktionskosten des versprochenen Reichtums brauchen würde. Und dabei wollte man doch eigentlich nur den Königspalast anschauen...

Aber es gibt sicherlich auch weniger durchschaubarere Tricks, für die nicht ganz soviel Naivität aufzuweisen ist. Auf meiner bisherigen Reise wurde ich bisher verschont. Sicherlich habe ich mal aus Unwissenheit ein Goldstück mehr bezahlt, aber auf dreiste Abzocke bin ich bisher nicht reingefallen. In vielen Fällen reicht es einfach aus, wenn man auf die oben aufgeführten Sätze gar nicht eingeht und auf Produkt A besteht. Dabei muss man natürlich immer freundlich bleiben zum Beispiel: "It's closed? Perfect! So there won't be any other tourists? Let's go!". Oder man wendet sich an jemanden anderen. 

Eine skurile Geschichte passiert mir allerdings als ich den Sonnenaufgang in Ankor Wat erleben möchte: 

Wäck - Wäck - Wäck… Mein Wecker reist mich aus dem Schlaf. Blick aufs Handy: 4.45 Uhr, tiefe Nacht in Siem Reap. Schlaftrunken mache ich mich zum Fahrradverleih. Dann folge ich den Tuk Tuks, die Richtung Norden fahren. Natürlich haben die Räder kein Licht, aber es gibt ja die Taschenlampenapp auf dem Smartphone. Vorbei an einem Friedhof, wo eine Morgenmesse gehalten wird, mache ich mich in Richtung Ankor Wat, um den Sonnenaufgang zu sehen. Ein Tuk-Tuk Fahrer, der mich überholt, brüllt mir zu „Come on, man! Hurry up!“.  Eine halbe Stunde später erreiche ich einen Check-Point der Touristenpolizei. „Mister, ticket please!“. Ne, ein Ticket habe ich noch nicht.
Ich erzähle der Dame, dass ich noch ein Ticket bräuchte. Daraufhin macht sie mich aufmerksam, dass man hier kein Ticket erwerben könne. Tickets gäbe es nur am Ticket Office und das habe ich offenbar vor 5 Kilometern übersehen. 

Suboptimal. Ich erkläre, dass wenn ich zurückfahre, ich den Sonnenaufgang verpassen werde. Ob es denn nicht auch ohne Ticket ginge? Darauf lassen sie sich an dem Check Point leider nicht ein. Zweiter Versuch: Ich komme morgen wieder und würde dann ein 2-Tagespass kaufen. Das sei doch eine gute Lösung? Die Frau scheint wenig begeistert von meinem Vorschlag. "Sorry Sir, tomorrow no sunrise!" Oha. Ganz so dramatisch habe ich die Situation nun nicht eingeschätzt. 
Aber wenn es tatsächlich kein Morgen gibt, dann sollte ich auf jeden Fall heute noch Ankor Wat sehen...

Nach einigem Hin und Her bietet mir ein etwas korpulenter Polizist einen Platz auf seinem Motorbike an und wir fahren gemeinsam zum Ticket Office. Als ich mit Ticket wieder bei meinem Fahrrad angelangt bin, darf ich den Check Point passieren. So komme ich rechtzeitig zum Sonnenaufgang.


Bleibt zu hoffen, dass die Sonne morgen doch aufgeht. Wenn nicht, sollte ich vielleicht heute so leben, als ob es kein morgen gäbe. Vielleicht sollte ich heute etwas wagen. 
Mit etwas Glück bin ich derjenige, dem tatsächlich die echten Saphire zugeschickt werden? Oder ich tue etwas Gutes und biete dem sympatischen Herren die Nutzung meines Kontos an, um sein Erbe aus Absurdistan nach Deutschland zu überführen? Da bleibe ich lieber abgezockt als abgezockt zu werden. Auch morgen. 

Liebe Grüße, 
Richard